BENN im Märkischen Viertel

Über den „Corona-Alltag“ in der Flüchtlingsunterkunft

Über den „Corona-Alltag“ in der Flüchtlingsunterkunft

Die Unterkunft am Senftenberger Ring ist zu Hause für etwa 400 geflüchtete Menschen. Auch hier hat Corona den Alltag stark verändert. Das Team von BENN hat mit einigen Menschen aus der Unterkunft und dem Umfeld über das Leben in Zeiten von Corona gesprochen.

Eine Mitarbeiterin der Unterkunft Senftenberger Ring

„Die letzten Wochen waren auch für uns als Mitarbeitende der Unterkunft Senftenberger Ring eine ganz besondere Zeit: Unser Team war bis Mitte Mai geteilt und hat wochenweise abwechselnd in der Unterkunft gearbeitet, damit im Falle einer Infektion das jeweils andere Team hätte einspringen können. Die Mitarbeitenden vor Ort waren dadurch natürlich besonders gefordert. Da war es nicht immer einfach, alle Fragen der Familien zu beantworten und Unterstützung zu geben.

Die Stimmung bei uns in der Unterkunft war  ziemlich ruhig und unsere Bewohnerinnen und Bewohner haben viel Zeit in ihren Wohnungen verbracht – auch die Kinder haben wir kaum gesehen. Toll, so ein diszipliniertes Verhalten. Wir bemühen uns, alle über Corona und die aktuellen Regelungen in Berlin zu informieren, z.B. mit Aushängen in einfacher Sprache.

Eine große Belastung für alle hier im Haus ist, dass niemand außer den Bewohnern und den Mitarbeitenden ins Haus darf. Es gibt also seit vielen Wochen keine privaten Besuche in den Familien. Auch ehrenamtliche Angebote wie die Sprachcafés oder die Hausaufgabenbetreuung können dadurch nicht stattfinden. Meine Kolleginnen und Kollegen helfen Schulkindern mit Abstand und in Einzelbetreuung bei ihren Hausaufgaben so gut es geht. Und ich weiß, dass einige Ehrenamtliche den Schulkindern per Telefon oder Skype bei den Aufgaben helfen. Das ist natürlich großartig. Wir hoffen, dass wir bald wieder Besuch im Haus empfangen dürfen.“

Eine Bewohnerin der Unterkunft

„Ich verbringe viel Zeit zu Hause, gehe manchmal einkaufen und fahre Fahrrad mit meiner Tochter und mit meinem Mann. Ich lerne viel und versuche Deutsch zu üben. Die Aufgaben von meiner Sprachschule bekomme ich über WhasApp oder von der Webseite. Meine Tochter bekommt ihre Hausaufgaben von ihrer Lehrerin und macht sie selbständig. Ich nutze jetzt mein Handy fürs Lernen, aber einige Sachen fallen mir immer noch schwer.

Durch die Tagesschau bekomme ich die wichtigen Infos. Das hilft mir auch, mein Deutsch zu verbessern. Es hat keinen Spaß gemacht so lange zu Hause zu bleiben, aber auf der anderen Seite hatten wir mehr Zeit mit der Familie. Ich spreche ganz oft mit meiner Familie im Ausland durch WhatsApp oder Facebook. Die Gespräche sind mir sehr wichtig. Ramadan ist natürlich anders dieses Jahr, aber ich finde es auch gut so, da wir mehr Zeit haben zum Beten und miteinander sein können.“

Ein Bewohner der Unterkunft

„Wir verbringen jetzt viel Zeit in unserer Wohnung. Es wird gekocht und gespielt. Und man muss sich um den Haushalt kümmern. Und natürlich gehen wir einkaufen. Meine Kinder bekommen ihre Schulaufgaben auf meinem Handy. Ich versuche auch bei den Hausaufgaben zu helfen, zum Beispiel beim Rechnen. Bei Deutsch-Aufgaben ist das aber schwer für mich. Zum Glück hilft hier das Team im Haus. Da gehen meine Kinder manchmal hin.

Ich finde das gut mit den Regeln in Deutschland, das schützt uns alle. Das ist auch besser als in Italien oder in Spanien. Meine Schwester lebt in England, sie macht sich sehr große Sorgen um die Gesundheit. Auch in Kuwait – da bin ich aufgewachsen – gibt es jetzt viele Menschen mit Corona.

Jetzt ist gerade Ramadan, eigentlich würden wir uns da mit vielen Familien abends treffen, so ist der Brauch. Das geht jetzt aber nicht, nicht mal mit unseren Nachbarn hier aus der Unterkunft.“

Ein Mitarbeiter des BENN-Teams

„Die Menschen aus der Unterkunft rufen mich oft and oder schicken mir Nachrichten über WhatsApp. Es gab viel Angst und Unsicherheit. Zum Teil haben die Menschen die Informationen über das Virus oder über die aktuellen Maßnahmen nicht ganz verstanden. Einige hatten falsche Informationen z.B. über ihren Aufenthalt oder ihre Krankenversicherung. Viele Bewohner haben auch Angst davor, dass die gesamte Unterkunft unter Quarantäne gestellt wird, falls jemand in der Unterkunft positiv getestet wird. So etwas gab es schon in anderen Städten.

Oft habe ich von Eltern gehört, dass es schwierig ist, passende Kinderangebote im Internet zu finden, die sie sprachlich verstehen und bei denen sie mitmachen können. In der Unterkunft gibt es ja bisher leider auch noch kein Internet. Und das Datenvolumen der Handys reicht bei manchen Familien nicht aus für Schularbeiten und Online-Sprachkurse der Eltern.

Normalerweise treffen wir uns jede Woche mit der Männergruppe in der Unterkunft. Dieses Treffen machen wir jetzt online. Hier können wir uns über Fragen und Sorgen austauschen. Und für viele ist das eine Verbindung zur Außenwelt ohne physischen Kontakt. Ich poste hier auch immer Infos und Links zur aktuellen Situation in einfacher Sprache oder als Übersetzung, damit alle gut Bescheid wissen.“

Ein ehrenamtlicher Unterstützer:

„Im Moment spreche ich mit vielen Menschen aus der Unterkunft am Telefon oder per WhatsApp. Meine Muttersprache ist persisch, und deswegen helfe ich schon seit vielen Monaten Menschen aus Afghanistan oder dem Iran bei Übersetzungen von Dokumenten oder beim Deutsch lernen.

Gerade jetzt finde ich es wichtig, mit den Menschen im Gespräch zu bleiben. Da müssen wir auch immer wieder aktiv nachfragen. Mit WhatsApp geht das zum Glück sehr gut. Ich bekomme auch viele Anrufe oder Nachrichten, manchmal auch noch spät am Abend, wenn Menschen aus der Unterkunft eine Frage haben oder etwas nicht verstehen.

Ich mache auch bei der Männergruppe mit, die sich jetzt jede Woche online trifft. Das ist gut, hier können wir gemeinsam viele Fragen besprechen.

Ich glaube, viele Geflüchtete machen sich jetzt Sorgen, dass sie mit der Integration nicht so richtig weiter kommen. Viele Probleme, die auch vor Corona schon da waren, werden jetzt ja noch größer: eine fremde Sprache lernen, einen Job oder eine Ausbildung finden, das ist jetzt schwerer. Und bei vielen ist auch der Aufenthalt unsicher. Viele sorgen sich auch um Familie oder um Freunde, die noch im Iran leben oder zum Beispiel in einem Camp irgendwo auf der Flucht.“

Beiträge zusammengestellt von BENN im MV.